Demokratie a la Villarrica/Paraguay

Gestern waren nun endlich die Wahlen unseres neuen Bürgermeisters. Um es vorweg zu nehmen, der Gewinner ist Dr. Gustavo Navarro von den Colorados. Aber das ist nicht das eigentliche Thema dieses Artikels. Hier geht es heute um gelebte Demokratie.

Es wird immer so viel davon geredet, das in den "Bananenstaaten" keine richtige Demokratie existiert. Mmmhhhh.... sehe ich nach diesem Wochenende anders. Sicher, der Wahlkampf konnte sich durchaus vergleichen mit den Wahlkampfspektakeln der "westlichen Welt". Es wurde mit Dreck hin- und hergespritzt. Eben Wahlkampf. Je nachdem, wer die Statistik in Auftrag gegeben hatte, der lag vorn. Nun...Gestern war dann ja der Tag der Wahrheit. Und die Villariqueños haben sich ein weiteres mal für die Colorados entschieden. Was solls...wie heißt es doch so schön beim Computer: "Never touch a running system!". Also waren die Leute doch nicht soooo unzufrieden mit dem, was der Exbürgermeister (Colorado) in den letzten 5 Jahren geleistet hatte.

Nun aber zur Wahl selber. Meine Frau war gestern aufgestellt in einem Wahllokal als Apoderada. Dazu vielleicht ein kurzer Ausflug in die Wahlregeln. Ein Wahltisch besteht aus 3 Mitgliedern der großen Parteien, diese werden überwacht von 2 Veedores (Inspektoren). Also 5 Leute pro Wahltisch, bestehend aus Mitgliedern der unterschiedlichen Parteien. Und dann kommen noch die Apoderados (sowas wie Anwälte) ins Spiel. Im Wahllokal meiner Frau gab es davon 2, ebenfalls aufgestellt von den verschiedenen Parteien. Die Aufgabe der Apoderados besteht darin, eventuelle Streite zwischen den Mitgliedern am Tisch zu schlichten.

Ein Beispiel: Jeder kann hier in Paraguay mit seiner Stimme machen, was er/sie will. Also auch "verkaufen". Eine Stimme zur Wahl kostet im Normalfall 100.000 Gs. Das hört sich jetzt komisch an, liebe Leute, ist aber so und auch nur ein "bisschen" illegal. Das heißt im Klartext, für 100.000 Gs. verkauft der Wähler seine Cedula um nicht zu wählen (bekommt er nach Schließung der Wahllokale zurück). Macht also nur Sinn, wenn ich die Stimme von einem kaufen kann, der sonst immer die andere Partei wählt. Deshalb war auch immer die Rede davon, das die Colorados die Wahl gekauft hätten. Naja, so einfach scheint es ja nun doch nicht zu sein, da es ja genügend Städte gegeben hat, welche sich entschieden haben, einen Bürgermeister der liberalen Partei zu wählen. Aber ich weiche vom Thema ab.

Jetzt gibt also ein Wähler seine Stimme ab. Das beinhaltet auch, den Zeigefinger der rechten Hand in Tinte zu tauchen. Hierbei versucht man nun den Finger nur mit der Spitze einzutauchen, da die Tinte da einfach abgewischt werden kann. Die Mitarbeiter am Tisch müssen also darauf achten, das der Finger ganz eingetaucht wird, damit die Tinte bis ins Nagelbett den Finger einfärbt. Somit kann der Wähler jederzeit indendifiziert werden als bereits  seine Stimme abgegeben. Nun versuchen immer wieder einige Spezialisten nochmals ihre Stimme abzugeben, können aber indendifiziert werden über das blaue Nagelbett. Jetzt weiß einer der Mitarbeiter am Tisch, das der Wähler für seine Partei abstimmen wird, also unternimmt er alles um demjenigen nochmals eine Stimme zu geben. Das gefällt dem anderen Mitarbeiter am Tisch natürlich nicht, da er ja für die andere Partei arbeitet. Somit kommt es zum Streit...der dann vom Apoderado geschlichtet werden muß. Alles verstanden!!! Es ist also eine sich selbst kontrollierende Wahl.

Als um 17:00 Uhr das Wahllokal geschlossen wurde, konnte man schon bei der Auszählung der Stimmen die Tendenz erkennen. Also keine Chance, irgendwo Wahlunterlagen verschwinden zu lassen. Schließlich wurde ja halböffentlich ausgezählt. Keine Säcke mit Wahlzetteln, die irgendwo Tage später in Schränken gefunden werden. Sowas gibt es nur in der "Ersten Welt".

So...und nun liebe Leute sagt mir doch mal, wer redet nur von Demokratie und wer lebt sie.

In diesem Sinn, immer schön weiterschlafen. Euer El

P.S. Ach und übrigens, was mir aufgefallen ist, die Wahlbeteiligung unter den Jungwählern war fast null, wohl aus Protest.

Die meisten Veränderungen beginnen mit der Jugend.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0